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Omega-3 ist in aller Munde

Aktualisiert: 17. Apr. 2023

Fachartikel von Dr. med. Volker Schmiedel

In dem Artikel „Omega-3 ist in aller Munde“ geht Dr. med. Volker Schmiedel der Frage auf den Grund, welche Wirkung Omega-3-Fettsäuren auf die Gesundheit haben und ob ihr Einsatz bei der Therapie bestimmter Krankheitsbilder und Beschwerden tatsächlich von Vorteil ist. Was ist denn nun eigentlich dran an Omega-3? Ist es wirklich ein Wundermittel gegen nahezu alle Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen oder handelt es sich um einen der zahlreichen Mega-Hypes, die eine große Welle machen und nach kurzer Zeit wieder der Vergessenheit anheimfallen? Gegen letztere Einnahme sprechen alle wissenschaftlichen Grundlagenuntersuchungen, die meisten klinischen Studien und – für mich entscheidend – meine eigenen positiven Erfahrungen bei vielen Patienten.

Wie viel Omega-3-Fettsäuren benötigen wir? Fangen wir mit den Grundlagen an. Seit Jahrzehnten weiß die Ernährungsmedizin, dass Omega-3- Fettsäuren essentiell sind, d.h. menschliches Leben kann auf Dauer nicht ohne die Zufuhr dieser lebenswichtigen Nährstoffe existieren. Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 2 g Omega-3-Fettsäuren. Ich empfinde solche Empfehlungen als recht wenig hilfreich. Wissen Sie etwa, wie viel Omega- 3 Sie gestern verzehrt haben? Welche Lebensmittel enthalten denn 2 g Omega-3? Diese Menge ist in etwa in 1 TL Leinöl, 1 ½ EL Rapsöl, 100 g Hering, 300 g Makrelenfilet oder 1 kg Fischstäbchen enthalten. Das sollten wir doch eigentlich leicht hinbekommen. Die durchschnittliche Aufnahme in Deutschland liegt jedoch bei deutlich unter 0,5 g. Das kann nicht gut sein. Außerdem bezieht sich die Empfehlung von 2 g nur auf Omega-3-Fettsäuren im Allgemeinen und die pflanzliche Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure im Besonderen. Wir wissen heute aber aus zahlreichen Studien, dass für die vielfältigen Wirkungen der Omega-3-Fettsäuren nur EPA/DHA aus den maritimen Quellen, nicht aber die pflanzliche ALA (z.B. in Leinöl) verantwortlich sind. Die Ernährungsgesellschaften haben ihre jahrzehntealten Empfehlungen leider noch nicht modernisiert. Die offiziell empfohlene Dosis von 2 g (aber EPA/DHA, nicht ALA!) trifft für einen normalgewichtigen Erwachsenen zu, der sich durchschnittlich ernährt. Diese Menge ist in 15 (!) üblichen Fischölkapseln enthalten. Das schafft aber kein Mensch! Mein Favorit ist die Therapie mit flüssigem Fischöl. 1 EL reicht dann aus, um die erwünschte Menge von 2 g Omega-3 zu erzielen. Ein qualitativ hochwertiges Fischöl schmeckt übrigens kaum nach Fisch. Das weiß auch jeder Koch: Ein frisch gefangener oder aufgetauter Fisch riecht ja auch praktisch nicht nach Fisch. Umgekehrt bedeutet dies aber: Wenn das Fischöl arg nach Fisch mümmelt, dann ist es verdorben! Ich rate jedem meiner Patienten, die Kapseln schlucken, doch einmal auf selbige zu beißen. Verziehen sie dabei vor Ekel den Mund, dann gehören die Kapseln in den Müll, aber nicht in den Körper. Wie viel Omega-3 brauchen denn Kinder? werden. Bei 35 kg kann es ein TL sein, bei 17 kg ein halber TL und Kleinkinder können 2 Tropfen Fischöl pro kg Körpergewicht erhalten. Umgekehrt muss ein stark übergewichtiger Mensch natürlich viel mehr nehmen, unter Umständen sogar auch zwei EL, sehr selten sogar drei. Was machen denn nun die vielen Vegetarier/Veganer? Leinöl allein reicht nicht aus, da diese auch bei hoher Zufuhr von Leinöl katastrophale Spiegel von EPA/DHA aufweisen (ich überblicke mittlerweile etwa 1000 Fettsäureanalysen, darunter auch dutzende von Vegetariern/ Veganern). Fischöl können sie aus ethischen oder anderen Gründen nicht nehmen. Müssen sie also unter vermeidbaren, fettsäureabhängigen Krankheiten leiden, wie sie hier im Beitrag aufgeführt werden? Glücklicherweise gibt es seit einigen Jahren eine Alternative: Algenöl enthält EPA/ DHA – sogar in doppelt so hoher Konzentration, so dass nur die halbe Menge im Vergleich zu Fischöl eingenommen werden sollte. Wenn Sie weniger als ¼ der empfohlenen Zufuhrmenge von Magnesium verzehren, bekommen Sie rasch Wadenkrämpfe oder sogar Herzrhythmusstörungen. Beim Vitamin C leiden Sie nach wenigen Wochen an Skorbut. Beim Vitamin B12 dauert es zwar Jahre, bis Schäden eintreten, aber dann sind es auch irreversible Nervenschäden. Und die empfohlene Omega-3-Menge dürfen wir jahrelang ungestraft unterschreiten? Mitnichten. Die Mehrheit der Bevölkerung hat bereits mindestens eine Krankheit, die durch Omega-3-Mangel verursacht oder zumindest verschlechtert wird! Wenn ich Omega-3 zur Vorbeugung oder zur Behandlung von Krankheiten verordne, werde ich immer wieder gefragt, ab wann und wie lange man denn Omega-3 nehmen soll. Ich antworte dann immer: „Man sollte mit Omega-3 im Alter von -9 Monaten beginnen. Und dann: Solange Sie essen. Wenn Sie aufhören zu essen, brauchen Sie auch kein Omega-3 mehr. Das ist keineswegs sarkastisch gemeint. Jeden essentiellen Nährstoff – von Vitamin A bis Zink – müssen wir zeitlebens von der Geburt (besser von der Zeugung an, also -9 Monate, d.h. die Schwangere sollte bereits gut mit Omega-3 ausgestattet sein) bis zum Tode zu uns nehmen – und zwar möglichst in der optimalen Menge. Bei Vitaminen ist das unbestritten und viele Menschen nehmen ja auch irgendwelche Multipräparate (in denen allerdings die wichtigsten Vitamine gar nicht in der optimalen Dosis enthalten sind). Aber beim Omega-3 meint jeder, dass eine Portion Fisch in der Woche doch wohl ausreiche. Ich gehe sogar noch weiter. Schon vor der Geburt sollten wir Omega-3 zu uns nehmen. Natürlich muss das die werdende Mutter übernehmen. Sogar die offiziellen gynäkologischen Empfehlungen raten strikt zu einer Einnahme von Omega-3 (aus Fischen, nicht aus Pflanzen!) in einer Menge von mindestens 1 TL Fischöl oder 150 g Makrelenfilet – und das Tag für Tag. Ich frage meine schwangeren Patientinnen immer danach, ob ihnen ihr Gynäkologe das auch empfohlen hat. Folsäure, Jod und Eisen stehen (meistens) auf der Empfehlungsliste, Vitamin D schon viel seltener und Omega-3 fast überhaupt nicht und wenn, dann in der völlig unzureichenden Dosis von einer Portion Fisch pro Woche oder 1-2 Kapseln am Tag. Warum sollten Schwangere (und natürlich auch Stillende) denn so gut mit Omega-3 versorgt sein? Ich will Ihnen hier nur die wichtigsten und wissenschaftlich belegten Argumente nennen: Die Schwangere leidet seltener an Schwangerschaftskomplikationen wie der gefährlichen Eklampsie und an der postnatalen Depression („Baby- Blues“ nach der Geburt). Das Kind erleidet weniger häufig geistige Entwicklungsstörungen und bekommt weniger Asthma, Neurodermitis und Heuschnupfen. Das ist doch schon mal was. Wirkprinzip – wie macht Omega-3 das? Wir kennen drei wichtige Omega-3-Fettsäuren: Die Zungenbrecher Alpha-Linolensäure (ALA), Eicosapentaensäure (EPA) und Dosocahexaensäure (DHA). Keine Sorge – das müssen Sie sich nicht merken. Sie sollten aber schon wissen, dass ALA in Pflanzenölen wie Lein-, Hanf-, Raps- oder Chiaöl vorkommt, EPA und DHA hingegen nur in Meeresprodukten wie Fischen, Krustentieren oder Algen. ALA ist die Vorstufe, die eigentlich wirksamen Fettsäuren sind EPA (gegen Entzündungen) und DHA (mehr für die geistige Entwicklung). Unser Körper kann die Vorstufe ALA zwar in die maritimen Fettsäuren EPA und DHA umwandeln, jedoch liegt die Umwandlungsrate bei 0,5-10 %. Die Einnahme von Leinöl und Co. reicht also nicht aus, um täglich 2 g EPA/DHA aufzunehmen. Wir brauchen also alle zusammen. Die entzündungshemmende Wirkung erklärt den Nutzen bei allen Autoimmunkrankheiten und chronischen Entzündungsprozessen. EPA ist sozusagen das „natürliche Kortison“ in der Nahrung – selbstverständlich ohne dessen Nebenwirkungen. DHA ist quasi das „natürliche Ritalin“ – es beruhigt das Nervensystem und macht uns gleichzeitig konzentrierter und geistig leistungsfähiger, selbstverständlich auch ohne dessen Neben- und noch gar nicht bekannten Langzeitwirkungen. Hier sind die wichtigsten Einsatzgebiete für Omega-3:

  • Asthma

  • Rheuma

  • Hauterkrankungen wie Neurodermitis/Akne/Psoriasis

  • Hashimoto

  • Entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis/M.Crohn

  • Alle anderen Autoimmunkrankheiten.

Dabei sind die Effekte höchst unterschiedlich. Die Autoimmunkrankheit Diabetes mellitus Typ I kann ich mit Omega-3 zwar vorbeugend mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern. Ist er aber erstmal aufgetreten, kann ich ihn nicht mehr heilen. Bereits eingetretene Schäden an der Schilddrüse durch Hashimoto kann ich auch nicht mehr umkehren, aber ich kann den Entzündungsprozess und damit weitere Schäden möglicherweise verzögern. Bereits vorhandene Gelenkschäden durch Rheuma sind ebenfalls irreversibel, aber ich habe Patienten erlebt, die unter hohen Dosen von Omega-3 entzündungsfrei wurden – und das ohne Medikamente. Alle Krankheiten der Nerven und der Psyche lassen sich zumindest günstig beeinflussen:

  • Demenz

  • Depression

  • Multiple Sklerose

  • M. Parkinson

  • ADS/ADHS

Dies liegt daran, dass in den Nerven und im Gehirn Omega-3 hoch konzentriert ist. Die Natur will nicht umsonst so viel Omega-3 an den wichtigsten „Schaltstellen“ unseres Organismus haben. Aber auch hier sind den „Wundern“ Grenzen gesetzt. Während ich mit einer guten Omega-3-Versorgung laut großer Studien 2/3 bis 3/4 aller Demenzen verhindern könnte, wird die Demenz nicht mehr besser, wenn sie einmal eingetreten ist. Im besten Fall kann man das Fortschreiten dann noch verlangsamen. Ich kenne MS-Patienten, die seit vielen Jahren unter Omega-3 (und anderen Nährstoffen wie z.B. Vitamin D) keinen Schub mehr erlitten haben, obwohl sie vorher trotz schwerer Medikamente regelmäßig MS-Schübe aufwiesen. Depressionen bessern sich meist innerhalb von Wochen deutlich. Sie potenzieren sogar die Wirkung konventioneller Antidepressiva. Schutz auch vor Krebs und Arteriosklerose Aber was ist denn mit den wirklich großen Killern in zivilisierten Gesellschaften:

  • Herzinfarkt/Schlaganfall

  • Krebs?

Allein diesen beiden Krankheitsgruppen fallen ¾ aller Menschen zum Opfer! Auch hier gibt es mittlerweile eine große Menge an Studien. Bei einer guten Versorgung mit Omega-3 hat man 1/3 bis 2/3 weniger Krebsfälle bei weitverbreiteten Krebsarten wie z.B. dem häufigen Brustkrebs gefunden. Herzinfarkte kommen nur etwa halb so häufig bei den „Fischköppen“ vor. Omega-3-Mangel erwies sich dabei als ein stärkerer Risikofaktor als hohes Cholesterin oder Zigarettenrauchen! Aber in letzter Zeit hört man immer wieder, dass Omega-3 überhaupt nichts bringt, besonders nicht bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aus Platzgründen kann ich hier nicht so ausführlich darauf eingehen, wie ich es gern möchte. Nur so viel: Schlechte Studien bringen auch schlechte Ergebnisse. Schaut man sich die Studien ganz genau an, so sieht man, dass die Studien mit geringen Mengen von 1 g EPA/DHA oder weniger meist keine guten Effekte erzielen – aber das würde ich auch so erwarten. Bei guten Dosierungen finden wir hingegen teilweise hervorragende Resultate.

Viel Erfolg und alles Gute für Ihre Gesundheit,

Ihr Dr. Volker Schmiedel






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